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Newsletter vom 15.12.2013

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Inhalt

In eigener Sache Psychologie Evolution Psychologie

Grüezi

«Einstein sagte, die Welt kann nicht so verrückt sein. Heute wissen wir, die Welt ist so verrückt.»

Daniel M. Greenberger CUNY Distinguished Professor of Physics

Im Original: «Einstein said that if quantum mechanics were correct then the world would be crazy. Einstein was right - the world is crazy.»

Ohne Offenheit und Neugier ist das Leben langweilig. Neugier, das brennende Verlangen, herauszufinden, was dahinter steckt, zu versuchen, die Welt zu verstehen. Und Offenheit für das Neue, auch wenn es dem zuwiderluft, was man eigentlich erwartet hat. Offenheit und Neugier gehören zu den wichtigsten Eigenschaften, die das Leben interessant und abwechslungsreich machen.

Offenheit und Neugier sind auch das Einzige, was Sie, liebe Leserin und lieber Leser, mitbringen sollten, wenn Sie diesen Newsletter zu lesen beginnen. Und ich werde versuchen, Ihnen immer wieder neue und interessante Aspekte des Lebens und der Welt näher zu bringen.

Das hoffe ich natürlich und wünsche Ihnen harmonische Feiertage und einen schönen Tag – jeden Tag, bis zum nächsten Brief im März 2014.

Robert Gruber



In eigener Sache

Adressänderung per 01.01.2014

Als ich am 01. Juni 2003 in die Räumlichkeiten an der Steinacherstrasse in Wädenswil eingezogen bin ahnte ich nicht, dass sich das Umfeld innert Kürze massiv verschlechtern könnte. Doch anfangs 2008 ist direkt unter mir ein Nachtclub mit all seinen «Nebenwirkungen» eingezogen. Das ergab für meine Arbeit nicht mehr die besten Voraussetzungen und so verliess ich Wädenswil am 30.09.2008.

Es schien nun beinahe unmöglich zu sein, neue geeignete Geschäftsräume zu finden. Grosse Flächen wären kein Problem gewesen, aber ein eher kleiner Raum, zentral gelegen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar – das war viel schwieriger als ursprünglich angenommen.

Doch nun hat es erfreulicherweise geklappt. Ein Raum, ohne Kompromisse eingehen zu müssen! Die neue Adresse lautet

St. Gallerstrasse 13 – CH-8853 Lachen SZ

Das ist in Sichtweite zum oberen Zürichsee. Lachen ist mit der S2 ab Zürich erreichbar, ebenso gibt es eine gute Busverbindung ab Bahnhof Pfäffikon SZ. Auf der Webseite ist eine genaue Wegbeschreibung aufgeschaltet.



Psychologie

Gedanken über Gedächtnis und Erinnerung (Fortsetzung)

Ein grosser Teil der Menschheit glaubt, dass alles, was sie erleben, irgendwo abgespeichert sei. Doch das ist sehr unwahrscheinlich. Im Gehirn werden dauernd neue Verbindungen geknüpft und alte gekappt. Da Hirnzellen sterben, verschwinden gewisse Dinge.

Im Gehirn ist natürlich mehr gespeichert, als dem Einzelnen bewusst ist. Ein schönes Beispiel ist unser Gedächtnis für Gesichter: Es ist sehr schwierig, sich in Erinnerung zu rufen, wie unsere engsten Verwandten vor Jahren ausgesehen haben. Aber wenn wir ein zehn Jahre altes Foto sehen, erkennen wir sie möglicherweise sofort. Das Bild muss also irgendwo abgelegt sein, kann aber nicht willentlich hervorgeholt werden.

Das Gedächtnis ist ein sehr natürliches Organ. Man kann nicht viel tun, um es zu verbessern oder zu verschlechtern. Natürlich hilft es nicht gerade, wenn man zu viel trinkt. Aber im Allgemeinen müssen wir mit der Qualität des Gedächtnisses leben, mit dem wir geboren sind. Doch wer aufhört, sein Gedächtnis zu benutzen, der wird es verlieren. Wer sich nicht mehr anstrengt, alles den anderen überlässt und überzeugt ist, nichts Neues mehr lernen zu können, gerät in einen Teufelskreis.

Viele Leute glauben, dass das Gedächtnis besser wird, wenn sie es trainieren. Doch gemäss Douwe Draaisma scheint das nicht so zu sein. Viele ältere Leute haben beispielsweise Mühe, sich Namen zu merken. Sie besuchen deswegen lange und teure Therapien und besuchen Seminare, und am Ende sind sie doch nicht besser. Im Alter ist es völlig normal, Namen zu vergessen. Heute sind die Leute unter Druck, man wirft ihnen vor, nicht erfolgreich zu altern. Doch es gibt gewisse Grenzen des Gedächtnisses, und wir sollten niemanden drängen, diese zu überschreiten.

Die Tatsache ist, dass diese Gedächtniskurse keinen nennenswerten Effekt haben. Man lernt irgendwelche Tricks, die aber im Alltag kaum je benutzt werden. Spätestens nach ein paar Wochen sind sie wieder gleich gut oder gleich schlecht wie zuvor. Die Gedächtniskapazität lässt sich nicht erweitern. Das Gedächtnis ist kein Muskel, ebenso wenig, wie es ein Archiv ist.

Sehr hilfreich hingegen ist genügend Bewegung. Als Vorbeugung gegen die verschiedenen Formen der Demenz ist Bewegung eine wichtige Investition. Wer sich bewegt, lässt seinem Gehirn Sauerstoff zukommen. Das hilft langfristig. Die Wahrheit ist aber, dass wir immer noch nicht wissen, was beispielsweise Alzheimer (eine Form der Demenz) verursacht.

Es heisst, man solle möglichst aktiv bleiben, nicht aufhören zu lesen, das schütze vor Demenz. In Wahrheit passiert genau das Gegenteil. Die Menschen hören auf, Bücher zu lesen, weil sie die Handlung vergessen haben, wenn sie am nächsten Tag weiterlesen wollen. Schliesslich hören sie ganz mit Lesen auf. Die Krankheit löst den Rückzug aus, nicht umgekehrt!

Leseempfehlung (eher schwierig): «Superfaktor Bewegung, Das Beste für Ihr Gehirn» ISBN 978-3-86731-129-8



Evolution

Der Darwin Award – oder Oscar für Dummheit

Der Darwin-Preis ist ein sarkastischer Negativ-Preis. Er wird seit 1994 an Menschen verliehen, die sich versehentlich selbst töten oder unfruchtbar machen und dabei ein besonderes Maß an Dummheit zeigen. Der Name bezieht sich auf Charles Darwin, den Entdecker der natürlichen Auslese. Dahinter steht der Gedanke, dass ein lebensuntüchtiges Individuum seiner Spezies einen Gefallen tut, wenn es die Verbreitung des eigenen Erbguts verhindert. Der Darwin Award wird daher in der Regel posthum verliehen. Menschen, die dem Tode knapp entronnen sind, werden mit einer «lobenden Erwähnung» ausgezeichnet.

Nach Charles Darwins Evolutions-Theorie überleben nur die am besten angepassten Vertreter ihrer Spezies. In der Natur gefährdet unkluges Verhalten das Überleben. Wenn das stimmt, müsste die Dummheit eigentlich irgendwann aussterben. Danach sieht es zurzeit auf der Welt allerdings nicht aus. Was aber ist eigentlich dumm – wissenschaftlich gesehen?

«Am Anfang jedes Menschenlebens steht die Dummheit», sagt der niederländische Forscher Matthijs van Boxsel. «Der Mensch ist das einzige Wesen, das so dumm ist, bei seiner Geburt durch Geschrei die Aufmerksamkeit wilder Tiere auf sich zu ziehen.» Gemäss Boxsel ist das nur einer von vielen Fehlern, die wir in unsrem Leben wissentlich oder unwissentlich begehen.

Matthijs van Boxsel: «Die Enzyklopädie der Dummheit» Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3821815965

Dummheit wird oft als das Gegenteil von Intelligenz bezeichnet, doch mangelnde Klugheit ist nur ein ganz kleiner Aspekt im Bereich der Dummheit. So wie es verschiedene Formen der Intelligenz gibt, existieren auch multiple Dummheiten – gewissermassen Naturgesetze der Dummheit. Ihre Erforschung, die Morologie, rückt immer stärker ins wissenschaftliche Interesse, denn die Folgen fehlerhafter Handlungen können immer katastrophaler werden. Noch steht die Morologie am Anfang, doch bereits jetzt konnten fünf Gesetze der Dummheit formuliert werden.

(Das Wort Morologie (altgriechisch morologia, zusammengesetzt aus moria ‚Torheit‘ und ‚Wort‘, ‚Rede‘, ‚Lehre‘) ist im Epheserbrief (5,4) überliefert und wird dort meist mit ‚Unsinn reden‘ oder ‚albernes Geschwätz‘ übersetzt. Ansonsten kann es als Scherzwort gelten, das sich am besten mit ‚Wissenschaft von der Dummheit‘ oder ‚Lehre von der Dummheit‘ übersetzen lässt.)

Was mir heute wie ein kluger Schachzug vorkommt, kann sich morgen als grosser Fehler entpuppen – oft erkennt man eine Dummheit erst im Rückblick. Und selbst dann müssen andere Menschen sie nicht als Dummheit begreifen, sondern halten sie vielleicht für einen Geniestreich. Dummheit ist somit situativ und relativ. Und niemand ist gegen sie immun. Selbst den grössten Genies kann eine aussergewöhnliche Dummheit passieren, paradoxerweise kann von intelligenten Menschen sogar der grössere Schaden ausgehen. Grund dafür ist die sogenannte Hybris, die Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. vieler kluger Menschen, die ihnen den Sinn für die Wirklichkeit raubt. Ihr intelektueller und damit meist auch beruflicher Erfolg führt zu einer veränderten Eigenwahrnehmung – wie Geisterfahrer, die glauben, dass alle anderen diejenigen sind, die auf der falschen Seite fahren. Das Gefühl der Allwissenheit führt dann zur Leichtfertigkeit, die Konzentration lässt nach und Fehler schleichen sich ein. So ging beispielsweise der NASA im Jahr 1999 die knapp 200 Millionen Dollar teure Marssonde «Mars Climate Orbiter» verloren – ein Wissenschaftler hatte die englische Masseinheit Inch mit Metern verwechselt.

Als der französische Psychologe Alfred Binet1 im Jahr 1905 den ersten Intelligenztest entwickelte, wurden Menschen mit einem Intelligenzquotienten (IQ) zwischen null und fünfundzwanzig als Idioten bezeichnet – das entspricht der Intelligenz eines zweijährigen Kindes. Ein Neugeborenes hätte auf der IQ-Skala einen Wert, der bei 0 liegt. Wir alle werden also, wissenschaftlich gesehen, dumm geboren. Die Intelligenz vieler Tiere liegt bei ihrer Geburt in einem Bereich zwischen 60 bis 90 Prozent ihres Intelligenzpotenzials. Das meiste, das sie fürs Leben lernen müssen, können sie schon bei der Geburt.

Menschliche Klugheit ist das Ergebnis vieler Lernprozesse. Dabei erweitern wir nicht nur unser Wissen, sondern steigern auch die Intelligenz des Gehirns selbst. Der Mensch setzt sein unglaubliches Entwicklungspotenzial frei, bis er durchschnittlich auf einen IQ von 100 Punkten kommt. Da dieser Prozess aber ständiges Lernen auf vielen Ebenen bedeutet, kann man sich vorstellen, was bei der IQ-Entwicklung eines Menschen alles schiefgehen kann.

(Der Begriff Idiot stammt vom griechischen idiotés. Im antiken Griechenland bezeichnete man Privatpersonen, die keinen Zugang zu öffentlichen ämtern hatten, als Idioten. Der Intelligenzbegriff war dort noch stark mit dem sozialen Verhalten verknüpft.)

Beim Gruppenverhalten von Fischen, Vögeln und den meisten Insekten sprechen die Forscher von Schwarmintelligenz. Schon einzelne Individuen sind zu hohen Intelligenzleistungen fähig – aber im Schwarm vernetzen sie sich zu einem Superorganismus. Ein Bienenstatt kommt so in der Summe auf fünf Milliarden Gehirnzellen, nur ein Teil des menschlichen Gehirns.

Menschen dagegen verhalten sich in Gruppen erstaunlich wenig intelligent. Ein aussergewöhnlicher Umstand (wie beispielsweise ein Unfall) führt bei einer Menschenmasse leicht zu einer Massenpanik. Die emotionale Dummheit, hervorgerufen durch Angst, übernimmt die Kontrolle. Schon bei drei Personen tritt ein eigentümliches menschliches Gruppenverhalten auf: Unwillkürlich bildet sich eine Hierarchie. Der intelligente Einzelne begreift sich als Teil einer «Herde» und delegiert einen Teil seines Denkens an den Führer der Gruppe. Das muss nicht unbedingt der Intelligenteste sein. Dramatisch wird dieses Phänomen bei Kriegsverbrechen, Folterungen oder Bandenkriminalität: Hier neigen die meisten Menschen dazu, persönliche Verantwortung an die Gruppe abzugeben – und werden so zu Mittätern.

Das ist im Übrigen auch im Geschäftsumfeld zu beobachten: Kann ich annehmen, dass meine Arbeit von einem Vorgesetzten kontrolliert wird, übergebe ich ihm innerlich die Verantwortung!

1(Alfred Binet [* 8. Juli 1857 in Nizza; † 18. Oktober 1911 in Paris] war ein französischer Psychologe. Er gilt als Begründer der Psychometrie.)



Psychologie

Lie to me! – Lüg mich an!

Zu diesem Beitrag wurde ich inspiriert durch die Fernsehsendung «Lie to me» (TV Serie 2009 – 2011) im Zusammenhang mit einem Interview zum Thema «Kann eine Lüge mit Sicherheit erkannt werden?», zu dem ich vergangene Wochen geladen war.

«Es war die Art zu allen Zeiten, Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.»
(Johann Wolfgang von Goethe)

«Das war ich nicht», «Ich stand im Stau» – bis zu 200-mal am Tag werden wir belogen, sind aber nicht in der Lage, Lügen als solche zu erkennen. Stattdessen verlassen wir uns auf unseren ahnungslosen Bauch, um herauszufinden, ob andere ehrlich sind.

Der Psychologe Paul Ekman führte an der University of San Francisco ein interessantes Experiment durch: Er zeigte vermeintlichen Experten wie Richtern, Kriminalbeamten und Psychiatern Videoaufzeichnungen mit Aussagen von Menschen, die entweder die Wahrheit sprachen oder die Unwahrheit. Die Aufgabe der Testpersonen war, die Ehrlichen von den Lügnern zu unterscheiden. Das Ergebnis war erschreckend – die angeblichen Experten schlugen sich kein bisschen besser als der pure Zufall.

In einem anderen Experiment gab es drei Versuchsgruppen: Studenten ohne jegliches Training im Entlarven von Lügen, junge Polizisten und erfahrene Ermittler. Alle drei Gruppen sollten Lügen von Wahrheiten unterscheiden. Wieder war das Ergebnis erschütternd, weil die Gruppen fast gleich abschnitten: Ihre Trefferquote war kaum besser, als wenn sie eine Münze geworfen htten. Die korrekten Beurteilungen lagen bei 53,6 %!

Diese Zahlen waren für mich überraschend. Insbesondere bei Menschen, die die Achtsamkeit täglich im Bewusstsein haben. In einem späteren Brief werde ich näher auf das Thema eingehen. Insbesondere interessiert, weshalb die Lüge von Frauen und Männern nicht dasselbe ist.

(Paul Ekman [*15. Februar 1934 in Washington D. C.] ist ein US-amerikanischer Anthropologe und Psychologe, der besonders für seine Forschungen zur nonverbalen Kommunikation bekannt wurde.)



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